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Mit diesem Titel begrüsst uns die Homepage der EZLN, der Indio-Widerstandsbewegung von Chiapas/Südmexiko. Die umfangreiche Site der Organisation, die von Sympathisanten aus Deutschland und den Vereinigten Staaten geführt wird, gilt als eine der zur Zeit erfolgreichsten und begehrtesten "politischen" Sites auf dem Internet. Interessant ist dabei, dass die mexikanische Regierung, die die indianischen Freischärler im Süden des Landes mehr oder weniger erfolglos bekämpft und von ihnen an den Runden Tisch gezwungen worden ist, gegen diese Form von Propaganda nichts unternehmen kann. Im Gegensatz zu Flugblättern und anderen Druckerzeugnissen existiert hier der Feind nämlich nur auf den weltweiten Datennetzen. Und gegen die ist noch kein Kraut gewachsen. Das Zensurprogramm Cyberpatrol hat ja bekanntlich auch seine Tücken, seit auf der White House-Homepage wegen des Begriffes "couple" (Paar) ein Riesentheater durch einen Cyperpatroler entfacht worden ist. Biwidus hat sich die interessante Homepage der EZLN mal angesehen und kommentiert. Ist das Internet auch dazu da, Propaganda für Terroristen zu machen?

Die Homepage beinhaltet wie es sich gehört, auch ein Inhaltsverzeichnis. Neben den wichtigsten Pressecommuniques der EZLN auch verschiedene Kurzkommentare, Interviews und Photographien der EZLN-Notablen. Schliesslich wird auch gezeigt, wie mensch der Organisation helfen kann. Aus Gründen der politischen Neutralität verzichten wir hier auf einen Hyperlink. Zwei weitere interessante Links gehen zu den FAQs (Frequently Asked Questions) und zu einem Artikel über Chiapas im Wissenschaftsmagazin "Food First". Darüber später mehr. Es wird unterstrichen, dass Chiapas (und die EZLN) vor allem humanitäre Hilfe braucht.

Subcommandante Marcos ist die unumstrittene und charismatische bis mystifizierte Führungsperson der EZLN. Seit dem Beginn des Aufstandes in Chiapas am Neujahrstag 1993 taucht der vermummte Sprecher und Symbolfigur der Organisation immer wieder in den Nachrichten auf und äussert sich über das Geschehen. Herausragend ist jedoch die Art und Weise, wie der Nicht-Indianer diesen gefährlichen Job macht. Wer ihm zuhört oder seine Text liest, stellt eine nicht nur politisch-philosophische, sondern auch eine durchaus lyrische Ader fest, was von einer hohen Bildung zeugt. Tatsächlich erkannten JournalistInnen im geheimnisollen Dichter im Kampfanzug auch einen 38 Jahre alten Akademiker aus einer wohlhabenden nichtindianischen Familie, der sich auf die Seite der Armen, Entrechteten und Ausgebeuteten gestellt haben soll. Diese Entdeckung hat allerdings niemanden von der immer stärker werdenen Mythenbildung um seine Person abgehalten.

Obschon Marcos mittlerweile gerade in Kreisen der Weltjugend als zweiter Che Guevarra gilt und nie und nimmer als ein "Ausgestossener" bezeichnet werden kann, liebt ihn das Volk von Chiapas, was die Bürgermeisterin Ana Maria in ihrem Kommentar "Quien es Marcos?" offen zugibt:"Nació hace once años en la selva Lacandona y desde entonces ha vivido, bebido, comido y dormido al lado nuestro, los indígenas chiapanecos". Frei übersetzt heisst das:"Reich geboren ist er vor Jahren in den Wald gekommen und hat seither mit uns, den Indianern von Chiapas, gelebt, getrunken, gegessen und geschlafen." Marcos und seiner zwiespältigen Rolle als gelehrter Poet und Partisanenfeldherr ist es wohl zu verdanken, dass der Aufstand in Chiapas verhältnismässig wenige Opfer auf beiden Seiten gekostet hat. Er sei ein Stratege und kein Haudegen, sind sich Kenner einig.

Der zentrale Teil der ganzen Homepage ist sicherlich der (mit Bildern) 75 Kbyte grosse Text Chiapas: The Southeast in Two Winds. A Storm and a prophecy. Subcommandante Marcos schrieb diesen Text im August 1992, noch vor dem Beginn des Aufstandes im Wald von Lacandona, dem Herzen des heutigen EZLN-Gebietes. Aus dieser Gegend stammen die meisten der angeblich 12`000 indianischen Milizen. Hier zeigt sich übrigens auch die Stärke des Strategen Marcos: die Zahl von 12'000 Männern und Frauen wird offen eingeschränkt, denn nur 3000 seien gut bewaffnet. Diese Zahl könnte etwa stimmen.

Der lange Text von Subcommandante Marcos beweist seine schriftstellerischen Fähigkeiten und ist sehr interessant zum Lesen. Er ist nicht das Hirngespinst eines irren Terroristen, sondern eine fast wissenschaftliche und literarisch hochstehende Auseinandersetzung mit dem Thema Chiapas, aus historischer, ethnologischer und politischer Sicht. Wer nicht spanisch kann, muss sich nicht grämen, die meisten Texte der Site sind englisch oder gar deutsch.

FAQs sind auf dem Internet üblich. Mit FAQs kann mensch kurz und bündig zu den wichtigsten Punkten Stellung nehmen. Hier steht zum Beispiel auch die Antwort auf die Frage, ob Subcommandante Marcos eine E-Mail-Adresse habe. Die Antwort lautet nämlich: nein, weil "In southeastern Chiapas, lack of internet access is the least of one's worries...". Gerade dieses System ist also für den politischen Gebrauch geeignet. Und der Artikel der MitarbeiterInnen der Food First Action Alert "Understanding Chiapas by Peter Rosset and Shea Cunningham" zeigt, dass das mengenmässig eigentlich fast unbegrenzte Internet auch die Möglichkeiten bietet, nicht nur Parolen zu verwenden, sondern auch eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Thema an sich durchzuführen. Ich sehe hier einen der entscheidenden Punkte der "Politik auf dem Internet". Anstatt wie auf (Stiefel-)Inseraten und Plakaten kann mensch auf dem Internet politische Werbung mit Information und Meinungsbildung betreiben, dem User/der Userin muss nicht einfach ein Satz an den Kopf geschleudert werden wie sonst bei Werbung.

Die EZLN benützt das Internet als ein Medium, um ihre Boitschaften an den Mann, resp. an die Frau zu bringen. Sie tut dies (dank ihren SympathisantInnen) recht professionell und wegen ihres faszinierenden Leaders Marcos auch erfolgreich. Hier wird zwar politische Propaganda auf dem Internet betrieben - für eine Gruppe, die von den einen als Terror-, von den anderen aber als Befreiungsorganisation bezeichnet wird. Aber das Internet gibt hier auch die Möglichkeit, einer breiteren, weniger schablonenartigen Diskussion. Das Problem dabei ist, und das haben die EZLN-StrategInnen auch sehr gut erkannt, dass sich diese Site der EZLN weder an die Indianer von Chiapas, noch an die Soli-Clüblein auf der ganzen Welt richtet, denn diese haben keinen Anschluss, resp. wollen nichts damit zu tun haben. Die EZLN richtet sich mit ihrer Page an die CybernautInnen auf der Welt, an die kleinbürgerliche und wohlhabende Computer-Jugend, die ihre datenfreiheitlichen Ansichten nicht selten in linksliberale Phantastereien einbettet. Die ZapatistInnen haben gemerkt, dass hier eine neue Generation von AnhängerInnen heranwächst, die noch nie Che Guevarra gesehen hat, aber die (Internet-)Aktivitäten dieser abenteuerlichen Organisation in Mexiko gebannt verfolgt: auf dem TV, im Radio und in den Netzen.

Wir beenden diesen Artikel mit einem Zitat aus der "Kriegserklärung" der EZLN an die mexikanische Regierung, nämlich der Declaration of the Lacandon Jungle, verfasst von Marcos und seinen Getreuen im Jahre 1993:
"We have nothing to lose, absolutely nothing, no decent roof over our heads, no land, no work, poor health, no food, no education, no right to freely and democratically choose our leaders, no independence from foreign interests, and no justice for ourselves or our children. But we say enough is enough! We are the descendants of those who truly built this nation, we are the millions of dispossessed, and we call upon all of our brethren to join our crusade, the only option to avoid dying of starvation!"
- Zapatista National Liberation Army (EZLN)

"...The crash of these two winds will be born, its time has arrived, it has stoked the fire of history. Now the wind from above rules, but here comes the wind from below, here comes the storm...that is how it will be...

When the storm calms, when rain and fire again leave the country in peace, the world will no longer be the world but something better..."

Subcomandante Marcos , August 1992



Für Biwidus: Wildcat (EMail) aus dem politischen Cyberspace